"Tudo, menos o tédio, me faz tédio." Fernando Pessoa

segunda-feira, abril 05, 2004

DARUM

Die Zeit steht still für mich allein.
Sie hat gemerkt, dass ich nicht wein’.
Sie kommt zu mir und sieht mich an.
Mein Leben fällt ihr in die Hand.

In ihrer Hand kann ich klar sehen,
Dass Zeit und Tränen sich verstehen.
Mit nassen Augen sagt sie laut:
„Damit hab’ ich mein Schloss gebaut.

Ich nehme Kraft von deiner Seele
Durch alle Tränen, die ich stehle.
So sei nie glücklich, hab kein Glück
Und gib mir meinen Schatz zurück.“

„Du existierst nicht“, sag’ ich ihr,
„Du wirst von allen kontrolliert.
Du stehst in Büchern, Blättern, Uhren.
Du lebst in der Gestalt der Nummern.

Man nennt dich Monat, Tag und Jahr,
Bemerkt dich durch ein weisses Haar.
Tagsüber weiss man, wer du bist
Und nachts vergesst man, was Zeit ist.

Geh sofort weg, zurück ins Grab.
Du nimmst mich nicht mit dir hinab.
Ich werd’ das Grab mit Glück bedecken
Um dich für immer zu verstecken.“

„Ein schönes Lied hast du gesungen
Doch du bist wie die meisten Jungen,
Deren Stimmen ich anhalt;
Ich bin schon viele Leben alt.

Erinnerst du dich nicht an mich?
Ich bin die Angst in dein Gesicht;
Ich bin das Blut in deinen Händen.
Du kannst mich nicht von dir abwenden!

Ich werde immer bei dir bleiben.
Ich wohn’ in deinen Eingeweiden.
Ich hält’ dich fest in meiner Hand
Genauso wie den ganzen Sand.

Weisst du, warum ich böse werde?
Ich bin das Fleisch und Blut der Erde!
Verstehst du jetzt, vielleicht, warum?
Darum, du armer Mensch! Darum!“

Maio de 2001, Bremen